Kirchheim hat in den letzten Jahren einen geschickten, modernen Auftritt erhalten – Schriftzug, Logo, Webseite. Dazu auch eine Handvoll Schlagworte, darunter: Mitmachgemeinde. Unter Mitmachgemeinde stellt man sich vor, dass die Bürger auch jenseits der Wahlen einen Einfluss auf politische Entscheidungen nehmen können, indem sie feste Gelegenheiten bekommen, ihre Meinungen, Fragen, Sorgen loszuwerden und ernsthafte Reaktion darauf erhalten.
Zu erleben ist das in erster Linie als Marketingmaschine: Es gibt allerhand Gelegenheiten, den Bürgermeister öffentlichkeitswirksam zu erleben, gern auf Fotos und vor Corona auch sehr gern als Redner und Händeschüttler (Dorffest, Neubürgerfest, Eröffnungen aller Art). Es gibt auch verschiedene Bürgersprechstunden und ähnliche Termine. Allerdings ist von konstruktiven Auseinandersetzungen mit kritischen Stimmen insgesamt wenig spürbar. Mehr von Phrasen, Abwiegeln, Kurzhalten.
Denn es fehlt nicht zuletzt ein wichtiger Bestandteil von dem, was auf Englisch so treffend „good governance“ genannt wird, gute Verwaltung und Regierung: Klare, frühzeitige, ehrliche Information der Beteiligten. Nur dann ist Raum und Zeit, Bedenken zu hören, Alternativen zu prüfen und kluge Kompromisse zu finden. Was für eine Gemeinde sind wir, in der ein Hausmeister aus dem lokalen Wochenblättchen erfährt, dass seine Dienstwohnung abgerissen wird? Welches Amtsverständnis spiegelt es wieder, die Bürger und sogar die Gemeinderäte immer wieder einfach vor vollendete Tatsachen zu stellen und dann erst in den KiMis über Baustellen o.ä. zu berichten? Wie viel Mitmachen erlaubt ein Live-Chat auf Facebook, der nur für Inhaber von Facebook-konten besuchbar ist?
Ist der Gemeinderat ein Haifischbecken?
Braucht man für politische Mitgestaltung in Kirchheim ein extra dickes Fell und besondere Resilienz gegen herabwürdigende Kommentare?
Wenn man die Entwicklungen zur Grünen-Fraktion im GR ansieht, scheinbar schon. Da erwägt eine Gemeinderätin, ihr Amt aufzugeben und schon wird geätzt und üppig Häme ausgegossen. Bis schließlich die Betroffene beschämendes Verwaltungskleinklein der Organisation des GR offenlegt und dazu sehr persönliche Details preisgibt, die sie zu ihrem Entschluss gebracht haben.
Gemeindepolitik machen hier keine Berufspolitiker, sondern engagierte Bürger. Und selbst bei Berufspolitikern gibt es eine Grenze dessen, was sie sich in Ausübung ihres Berufes in der Öffentlichkeit anhören müssen. Private Entscheidungen haben übrigens auch hier ihren Platz: 2010 trat Franz Müntefering als Parteichef der Bundes-SPD und von allem Ämtern zurück, um seine an Krebs erkrankte Frau zu pflegen.
Man sollte auch die Worte eines CDU-Granden nicht vergessen: „Die Menschlichkeit einer Gesellschaft zeigt sich nicht zuletzt daran, wie sie mit den schwächsten Mitgliedern umgeht.“ (Helmut Kohl 1998)
Der Gemeinderat soll bitte ein Teil der menschlichen Gesellschaft bleiben, der Tonfall sachlich und konstruktiv und die Auseinandersetzung sachbezogen.